Bericht Kongress München

Internationaler Richard Wagner Kongress                                          14.Oktober bis 17. Oktober in München

München präsentierte sich an den vier Kongresstagen in schönsten herbstlichen Farben mit viel Sonne, sodass auch ein Helles im Biergarten gut schmeckte.

Karl Russwurm, Vorsitzender des Richard Wagner Verbandes München, hat sich zusammen mit seinem Team und unterstützt von seiner Familie die Aufgabe gestellt, anlässlich des 150-jährigen Jubiläums des Münchener Verbandes diesen Kongress zu planen und zu organisieren.

Die Teilnehmer erwartete ein fulminantes Programm in Wort und Klang:

Vier Konzerte, eine Oper, drei Vorträge, zwei Lesungen, eine Gemäldeausstellung. Dies  ergänzt von Exkursionen in das Münchner Umland, einem Stadtspaziergang auf den Spuren berühmter Literaten, Komponisten und Architekten und einem Besuch in der Residenz. Nicht zu vergessen die Generalversammlung der Delegierten der Verbände, die kleine Gedenkfeier am Richard Wagner Denkmal und das gesellige Beisammensein beim bayerischen Abend  im Hofbräuhaus am Wiener Platz und das Abschiedsessen im Franziskaner.

Für alle Programmpunkte in München hat das Karl-Russwurm-Team besonders schöne Orte mit historischem Bezug gefunden. Treffpunkte waren

  • das Künstlerhaus am Lenbachplatz
  • die Bürgersaalkirche
  • das Prinzregententheater
  • die Allerheiligen-Hofkirche

mit einer Ausnahme:

Der Münchner Verband hat das kaum noch gespielte Jugendwerk Richard Wagners „Das Liebesverbot“ bei der Kompagnie OPERA INCOGNITA zur Inszenierung und musikalischen Bearbeitung in Auftrag gegeben. Die Oper kam am Happening Place Sugar Mountain, einem ehemaligen Betonwerk zur Ausführung. Echt stylisch und kultig!

Zur Einstimmung am Donnerstagabend hörte die Kongress-Society Wagner auf der Orgel, gespielt vom Organisten Hansjörg Albrecht, Leiter des Münchner Bach-Chores und Bach-Orchesters neben vielen weiteren Engagements. In seiner Wagner-Pèlerinage „zündet (Albrecht) mit Vorspielen und Ouvertüren aus Wagners Opern an der Orgel tatsächlich ein Feuerwerk verschiedenster Klangfarben“. Albrecht spielte die Walhalla-Szene aus dem Rheingold, den Walkürenritt, das Vorspiel zu „Tristan und Isolde“ und das Vorspiel zu „Die Meistersinger aus Nürnberg“. Ein echter Hörgenuss, wobei man jedoch die Orgel beim Walkürenritt als etwas „übersteuert“ empfinden konnte.

Im Prinzregententheater spielte am Freitagabend das Attacca Jugendorchester unter der Leitung des Dirigenten Allan Bergius, Bayreuth Stipendiat 1992, dynamisch auf. Sieben junge Künstlerinnen und Künstler der Everding Akademie, darunter drei Bayreuther Stipendiatinnen und 2 Bayreuther Stipendiaten, stellten begleitet vom Orchester das bereits erreichte hohe Niveau ihres Könnens unter Beweis. Auszüge aus dem Ring, aus den Meistersingern, dem Fliegenden Holländer und Les Adieux de Marie Stuart standen nach der Rienzi Ouvertüre auf dem Programm, ergänzt um Richard Strauß mit den Liedern „Morgen“ und „Zugeneigt“ , Jacques Offenbach und Engelbert Humperdinck. Besonders beeindruckend war der Vortrag der Cellistin Raphaela Gromes, die bei beim „Abendsegen“,  bei „Les Larmes de Jacqueline“ und bei der Arie „O du mein holder Abendstern“, ihr Instrument mit großer Hingabe, brillanter Technik und viel Wärme im Ton spielte. Monika Weber, Zweite Vorsitzende des Münchner Verbandes führte mit großer Sachkunde und viel Charme durch den Abend.

Samstagmorgen: In der Allerheiligen Hofkirche begegnete die Kongress-Community Felix Mayer und dem Kammerensemble des symphonischen Ensembles München. Mayer ist Musiker, Dirigent und als Honorarprofessor der TU München gefragter Dozent für musikwissenschaftliche Seminare und Vorträge. Das Ensemble spielte in Kammerbesetzung das Divertimento Nr. 1 von Joseph Haydn, die Serenade e-Moll von Edward Elgar und das Amerikanische Quartett“ von Antonín Dvorak. Das Konzert endete unter dem Dirigat von Felix Mayer mit dem Siegfried-Idyll, der die „Streicherzärtlichkeit“ – ein Begriff des Dirigenten Marek Janowski – des Werkes mit seinem Kammerensemble zu dem entsprechenden Klangbild führte.

Für viele war die Begegnung mit der OPERA INCOGNITA im Sugar Mountain am Samstagabend sicher ein Höhepunkt des gesamten Kongressprogramms. Auch diejenigen, die sich erstmals und unvorbereitet der Wagner Oper „Das Liebesverbot“ gestellt hatten, waren vom Werk, vom jungen Ensemble der Sängerinnen und Sänger, vom Chor und vom kleinen Orchester begeistert. Das engagierte Spiel der jungen Opernkompagnie an dem unkonventionellen Aufführungsort hat besondere Freude gemacht. Alle Proben wurden von Dirigent und Regisseur gemeinsam betreut, eine Spielregel für die Arbeit der OPERA INCOGNITA. Die Symbiose von Orchester und Protagonisten auf der Bühne war zuhörend und zuschauend gut wahrzunehmen.

Weitere Aspekte dieses Werkes und des Opernabends betrachtet Vorstand im RWV Ulm/Neu-Ulm Dr. Matthias Lachenmann in seiner aktuellen Rezension. Unbedingt lesenswert! Auf der Webpage www.lawchenmann.de.

Sonntagmorgen: den konzertanten Abschluss gestaltete Felix Mayer mit einem großen Festkonzert des symphonischen Ensembles im Festsaal des Künstlerhauses. Gespielt wurde die Ouvertüre „Iphigénie en Aulide“ in der Bearbeitung Wagners. Die koreanische Solistin Gyurim Kwak spielte einfühlend und schwungvoll Mozarts Violinkonzert Nr. 3 und das musikalische Programm des Kongresses endete kraftvoll und in vollem Klang mit Beethovens 5. Symphonie.

Im Symposium beleuchtenden Dr. Frank Piontek (Bayreuth), Dr. Verena Naegele (Rombach, Kanton Aargau Schweiz) und Dr. Dirk Heißerer (München) die Ausgangspositionen für die Entstehung der besonderen Beziehung von Richard Wagner und Ludwig II, deren Entwicklung und deren Bestehen.

Dr. Piontek charakterisiert sie als eine komplexe Liebesbeziehung, deren Dynamik unter vier Oberbegriffen beschrieben werden kann: Geld, Huldigung, Kunst und Streitereien.

Für Frau Dr. Naegele ist diese Beziehung ein vieles Mehr als nur ein Mäzenatentum.               Ludwig II – geprägt von der frühen Lektüre der Schriften Wagners und des Nibelungenliedes und gefesselt von der Musik der Opern Lohengrin und Tannhäuser, die er schon als 15 jähriger Junge hörte – wendet sich Wagner zu. Das Projekt „Parsifal“ wird zum verbindenden Medium. Ludwig II identifizierte sich mit der Figur Parsifal, dem Heilsbringer und Welterlöser. Ausdruck der großen Sehnsucht der Deutschen nach Erlösung. Für die Referentin ist dies nicht mehr nur ein Stoff für das Theater, sondern Inhalt eines Gottesdienstes. Ludwig II. war durchdrungen von der Idee eines heiligen Königtums von Gottes Gnaden. Er wollte ein Fürst mit einem kulturpolitischen Programm sein. Kunst als Mittel der Bildung und nicht zum Zweck der Unterhaltung. So die Ausführungen von Frau Dr. Naegele.

Dr. Heißerer gestaltete seinen Vortrag „Die Wunder der Poesie: Richard Wagner, König Ludwig II und ein verhängnisvoller Vortrag Thomas Manns“ in drei Kapiteln: Der König und sein Hexenmeister, der Dichter und sein Zauberer und die Damnatio – der Protest der Richard Wagner Stadt München. Als Erkenntnis aus seinem Besuch der Oper Lohengrin entwickelt Ludwig II ein gefühltes Ideal von Kunst und Königtum und dies ist nach Ansicht des Referenten die Basis der ersten Begegnung von Wagner und Ludwig II. 

Auch Thomas Mann war vom Lohengrin fasziniert. Insoweit besteht eine Parallele zu            Ludwig II. Diese Empfindungen Thomas Manns finden sich in der Romanfigur Hanno Buddenbrook wieder. Hanno interessiert sich mehr für das Theater und die Musik als für seinen Beruf als Kaufmann. Und dennoch zeigt sich bei Thomas Mann eine ironische Einstellung gegenüber dem Werk Richard Wagners, worauf Dr. Heißerer hinweist. Es besteht ein kritischer Vorbehalt, der wiederum im Roman „Buddenbrooks“ Ausdruck findet. Hannos Musiklehrer Edmund Pfühl bricht das Vorspiel von Tristan auf dem Klavier mit dem Kommentar ab „Dies ist ein parfümierter Qualm, in dem es blitzt. Dies ist das Ende der Moral in der Kunst! „

Thomas Mann setzt sich in seinem Vortrag anlässlich des 50. Todestages von Richard Wagner, den er am 11.02.1933 im Audimax der Universität München gehalten hat, kritisch mit dem Komponisten auseinander. Er übt Kritik an der Theorie des Gesamtkunstwerkes und greift ein Statement von Nietzsche auf, wonach Wagner zum Dilettieren geboren sei. Für die Nationalsozialisten war Wagner jedoch der Programmmusiker des 3. Reiches. Es gab Ärger. Mann galt inzwischen als einer der prominenten Gegner der Nazis. Dirigent Hans Knappertsbusch beförderte mit seinen Attacken die Ausbürgerung von Thomas Manns aus München. Ausdruck der Verdammung von Thomas Mann und seiner Vernichtung als Künstler.

Die Beziehung von Richard Wagner und Ludwig II findet auch Ausdruck in den Gemälden des Regenmalers Herbert F. Rauh, die in der Clubetage des Künstlerhauses ausgestellt sind.

Rauh setzt die begonnen Werke dem Regen aus und aquarelliert die Bilder zu ihrer Vollendung. Mit dieser Technik gelingt ihm eine beeindruckende Gestaltung der unterschiedlichen Stimmungen der Personen, die in deren Physiognomie zum Ausdruck kommen.

Die Lesungen von Dr. Piontek, der Gedichte Richard Wagners vortrug, und von Dr. Martha Schad aus dem Briefwechsel zwischen Cosima, Wagner und Ludwig II rundeten das umfangreiche Themenangebot des Kongresses ab.

Ohne Beschränkung auf einen Vortragsabend oder eine Opernaufführung konnten sich die Teilnehmer über vier Tage auf das angebotene Spektrum konzentrieren und sich mit der behandelten Thematik  zuhörend, lernend, reflektierend und im Dialog auseinandersetzen. Damit war die Teilnahme am Kongress nicht nur interessant und anregend, sondern gestaltete die Präsenz vor Ort als besonders wertvoll.

Karl Russwurm und sein Team haben mit der Organisation und Durchführung des Kongresses eine großartige Arbeit geleistet, die besondere Anerkennung und Dank verdient.

Klaus Junken

RWV Ulm/Neu-Ulm Neu-Ulm, 19. Oktober 2021